Über die Lichtenberger Bürgerstiftung beantragte der Verein für aktive Vielfalt e.V. beim Fonds „auf augenhöhe“ im Jahr 2019 finanzielle Mittel in Höhe von 5.000,00 € für die Einrichtung eines Interkulturellen Nähcafés im Nachbarschaftshaus im Ostseeviertel.
Corona bedingt wurde es im Beisein von Vorstandsmitgliedern des VaV erst im August 2020 eröffnet. Für das Geld wurden u. a. fünf „normale“ Singer-Nähmaschinen beim Otto-Versand zwei Overlock-Nähmaschinen aus dem Sonder-Angebot von Lidl sowie Nähzubehör wie Nähboxen mit Stecknadeln, Garn in unterschiedlichen Farben, Schneiderscheren, Maß-bändern, Schneiderkreide, eine Schneidematte, Kopierrädchen usw. angeschafft. Um die Nähmaschinen ordentlich und vor Staub geschützt verstauen zu können, wurden auch Nähmaschinentaschen gekauft.
Inzwischen gibt es im Projekt auch verschiedene Bücher, die Ideen und Anregungen sowie Schnittmuster für nützliche Dinge im Haushalt und in der Familie beinhalten. In einem Buch wird die spezielle Funktionsweise und der Nutzen einer Overlock-Maschine erklärt.
Ein wichtiger Punkt für die Frauen ist dabei auch „Aus alt mach neu“, da viele Frauen an Nachhaltigkeit interessiert sind und gern Dinge umgestalten. Außerdem kann so auch Geld gespart werden. So entstanden schon mehrere Utensilos, Kinderkleidung wie Ballonmützen, Jersey-Hosen und -röcke sowie vieles andere mehr, was nun zu Hause Verwendung in Bad und Küche findet.
Außerdem konnten zwei ehrenamtliche Mitarbeiter*innen aus dem Kreis der jeweils 8-10 Besucher*innen des Familienzentrums „Grashalm“ gewonnen werden, die als versierte Hobby-Schneider*innen über entsprechende Kenntnisse verfügen, um andere Interessierte anzuleiten und bei ersten Nähprojekten zu unterstützen. Dabei handelt es sich um eine junge einheimische Mutter und eine syrische Frau aus der Gemeinschaftsunterkunft Hagenower Ring. Ihnen wurde eine geringfügige monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 50,00 € u. a. für den Kauf von Fahrkarten usw. ausgezahlt.
Besonders stolz auf ihre selbstgenähten Sachen waren natürlich die Näh-Anfängerinnen. Auch die geflüchteten Frauen machten anfangs interessiert mit, hatten jedoch die Vorstel-lung, dass alles kostenfrei für sie wäre. Als die Verantwortlichen darüber informierten, dass bei jedem Treffen ein kleiner Obolus in Höhe von 3,00 € zu entrichten ist, gab es lange Diskussionen. Die Frauen wollten wissen, wofür das Geld verwendet werden würde. Ihnen wurde erklärt, dass sie alle Sachen, die angeschafft wurden, nutzen können und dass der VaV aber auch Miete und Nebenkosten wie Wasser und Energie bezahlen müsste. Insbesondere wenn sie Stoffe und Garn aus dem Familienzentrum verwendeten, würde ein kleiner Beitrag fällig. Außerdem könne auch eine Nähmaschine mal kaputtgehen, so dass eine Reparatur anstehen könnte. Dafür würde Geld angespart. Diese Argumentation schien leider nicht allen einzuleuchten und es gab erst einmal Unmut darüber. Einige nahmen daraufhin nicht mehr am Nähcafé teil.
Aber auch die einheimischen Mütter haben oftmals nur ein schmales Budget zur Verfügung und leben unter ähnlichen finanziellen Bedingungen wie die Geflüchteten. Die geflüchteten Frauen müssen sich langsam mit dem Gedanken vertraut machen, dass in Deutschland auch nicht alles ohne Eigenbeitrag zu haben ist. Außerdem will der VaV auch der landläufigen Auffassung „Was nichts kostet, ist nichts wert“ entgegenwirken und hält daher am Prinzip einer geringen Eigenbeteiligung fest.
Martina Hellmich
Projektleiterin